Hochschule Albstadt-Sigmaringen (Stand: 2022)
Vom Kühlschrank zum modularen Frischhaltezentrum

Im Jahr 2021 wurden ca. 3,9 Mio. Kühlgeräte verkauft. Bei der Kaufentscheidung gewinnen Faktoren wie Außendesign, Connectivity, Energieeffizienz, Frischhaltung und Hygiene an Bedeutung. Verbraucherinnen und Verbraucher bevorzugen inzwischen einzelstehende Geräte mit großem (eigentlich zu großem) Füllvolumen. Zudem geht der Trend zum Zweitgerät. Was erwartet uns in Zukunft?
Im Rahmen der Online-Tagung "Meet the Prof" erläuterte Prof. Dr. Astrid Klingshirn von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen Innovationen in der Kühltechnik. Wir haben die Aussagen des Vortrags für Sie zusammengefasst.
Während sich die grundlegende Kühltechnik seit Einführung der Kühlgeräte in den 1950er-Jahren kaum geändert hat, forscht man derzeit an vielen Zusatzfunktionen, die die Nutzung eines Kühlgeräts noch komfortabler und energieeffizienter machen sollen.
Forschungsgebiete in der Kühltechnik sind u. a.:
- Energieeffizienz und Nachhaltigkeit (Stromverbrauch)
- Frische (Haltbarkeit der Lebensmittel)
- Hygiene (Haltbarkeit)
- Connectivity (Vernetzbarkeit zwischen Geräten und Smartphone)
- Eiswassersysteme
- Innendesign
- Außendesign
- automatische Abtauung
- Geräuschpegel
- Füll-Volumen und Flexibilität
Forschungsgebiet Energieeffizienz

Stellschrauben für die Gerätehersteller zum Energieeinsparen stellen zu 60 % die Isolierung und 40 % die Kältekreislaufkomponenten dar. Im Bereich der Isolierung forschen die Firmen am Material des Gehäuses, der Tür und Türdichtung sowie an der Reduzierung von Wärmebrücken. Bei Kältekreislaufkomponenten liegt der Forschungsschwerpunkt auf der technischen Ausstattung, wie z. B. dem Kompressor, dem Verdampfer, dem Verflüssiger oder dem Luftsystem. Aktuelle Geräte verbrauchen nur noch 50 % der Energie älterer Geräte, wobei Frau Prof. Dr. Klingshirn in ihrem Vortrag den Begriff "ältere Kühlgeräte" nicht genauer definiert hat. Die Energieverbrauchswerte gelten nur unter Idealbedingungen. Fehler im Umgang mit dem Gerät lassen den Energieverbrauch um bis zu 30 % ansteigen.
Die häufigsten Nutzungsfehler sind:
- Die eingestellte Kühlschranktemperatur ist zu tief.
- Die Umgebungstemperatur ist zu hoch. (Reduziert man z. B. die Raumtemperatur von 25 Grad auf 21 Grad, benötigt der Kühlschrank 16 % weniger Energie. Reduziert man die Raumtemperatur auf 16 Grad spart dies 53 % Energie.)
- Der Standort liegt neben einer Wärmequelle (Herd, Heizung).
- Die Geräte sind nicht ausreichend belüftet.
- Die Geräte sind überladen.
- Das Lagerverhalten ist fehlerhaft. (Stellen Nutzerinnen und Nutzer z. B. warme Speisen in den Kühlschrank verdreifacht das den Energiebedarf. Speisen im Kühlschrank auftauen hingegen, reduziert den Energieverbrauch um 26 %.)
- Die Kühlschranktür wird zu oft geöffnet.
Forschungsgebiet Frische

Dazu gehören:
- Geruchsfilter
- photokatalytische Luftreinigung
- Ionisation
- UV-Bestrahlung in der Luft
- antimikrobielle Oberflächen
- antifungizide Türdichtungen
- antimikrobielle Luftfilter
- Verderbsmeldung
Allein für die Frische im Gemüsefach forschen Gerätehersteller derzeit an sechs unterschiedlichen Bereichen.
Das sind:
- Temperaturkontrolle
- Feuchtekontrolle
- Nacherntebeleuchtung
- UV-Bestrahlung
- antimikrobielle Ausstattung
- Ethylenkontrolle
Ihre Forschungsergebnisse machen die Hersteller in Werbeaussagen deutlich, wie "Der Vitamingehalt wird verstärkt", "bewahrt 20 % mehr Feuchtigkeit" oder mit Schlagworten wie "biofresh" oder "longfresh". Die Aussagen sind aber beliebig. Da die IEC-Normenserie 62552 für Haushaltskühlgeräte bisher vor allem technische Geräteparameter beinhaltet, wurden solche Slogans bisher kaum überprüft. Seit 2016 beschäftigt sich ein internationales Forschungsteam mit der Standardisierung von Frischeparametern. Hier ist auch die Hochschule Albstadt-Sigmaringen vertreten. Im Jahr 2020 hat das Team die Norm erneuert und erste messbare Kriterien für Frische aufgenommen.
Exkurs: So wurden die neuen Frischeparameter festgelegt
Um die neuen Frischeparameter festzulegen, ermittelte die Gruppe in einem ersten Schritt die derzeitigen Frischeverluste bei den verfügbaren Geräten. Diese betrugen zwischen 0,5 Gramm und 16 Gramm pro Tag. Dazu bestimmten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Transpirationsverluste, die im Verderbnisprozess bis zu 90 % der Frischmasse ausmachen. Nach aufwendigen Versuchen zu Qualitäts- und Frischeveränderungen im Lebensmittel legte die Gruppe einen konkreten Grenzwert von 11 Gramm Verlust pro Tag fest, ab dem man mit einem längeren Frischezustand werben darf. Dieser Grenzwert wurde in der Norm veröffentlicht. Derartig ausgelegte Frischefächer können für die Reduzierung von Lebensmittelverlusten einen wertvollen Beitrag leisten. Ebenso ermöglicht die verbesserte Haltbarkeit Privathaushalten ein besseres Lagermanagement und reduziert Einkaufszeiten und -wege.
Die Arbeitsgruppe beleuchtete auch den Claim "Vitaminzunahme während der Lagerung". In der Gerätetechnik steht dahinter der Begriff "Nacherntebeleuchtung". Gemüse und Obst produziert in Stressreaktionen Vitamine. Rotes und blaues Licht löst solche Stressreaktionen aus. Ein Vitaminanstieg erfolgt im µg-Bereich. Die Normungsgruppe stellte fest, dass diese Werbeaussage zutrifft. Der Hersteller darf den Claim daher verwenden, auch wenn die Menge der Vitaminzunahme für die Vitaminversorgung des Menschen keine bedeutende Relevanz hat.
Forschungsgebiet Connectivity

Remote Control
Zu den Standardfunktionen gehört z. B. die Fähigkeit der Geräte, über ein mobiles Endgerät am Kühlgerät eine Temperaturregulierung vorzunehmen oder Fehlermeldungen zu erhalten. Letzteres können vor allem Kundendienste für die Reparatur nutzen.
Energiemanagement (Smart Grid)

Lagermanagement

Frische und Lebensmittelverderb
Auch in Bezug auf Frische und Lebensmittelverderb sind Connectivity-Module in der Erprobung. So erfasst der Kühlschrank beispielsweise beim Einräumen der Lebensmittel das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) des Lebensmittels. Der Verbraucher bzw. die Verbraucherin erhält dann eine Nachricht kurz bevor das MHD abläuft. Auch können Kühlschränke Lagerzeiten zu bestimmten Lebensmitteln hinterlegen oder Lagerveränderungen sichtbar machen und den Nutzer bzw. die Nutzerin entsprechend über Verderb unterrichten. Viele Kühlgeräte zeichnen auch den Temperaturverlauf auf und analysieren ihn.
Informationsbedarf in der Bevölkerung
Die Forschung im Bereich von Kühlgeräten ist vielfältig und bietet ein breites Spektrum an Innovationen und smarten Anwendungen für die Nutzer. Jedoch ist jede neue Technik und jede verfügbare Funktion nur dann sinnvoll, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher sie richtig einsetzen.
Prof. Klingshirn nannte konkreten Informationsbedarf der Gesellschaft in den Punkten:
- pro Haushalt benötigtes Kühlschrankvolumen
- Bedeutung von Werbeaussagen, um Investitionen in nicht zielführende Technik zu vermeiden.
- Einräumen des Kühlschranks, Kennen der Kältezonen
- notwendige Kühltemperaturen
- Aufstellen des Kühlgeräts und Vermeidung von warmer Umgebung. (Der Trend geht zum Zweitgerät in der Garage, dort kann es aber oft sehr warm sein.)
Aus der Wissenschaft