Bis dahin ist es nach wie vor notwendig, nachhaltige Werbeaussagen kritisch zu betrachten. Mit diesem Beitrag wollen wir Sie als hauswirtschaftliche Fachkraft dabei unterstützen und Sie motivieren, Ihre Nachhaltigkeitsbemühungen im Reinigungsprozess nicht alleine an Werbeaussagen zu knüpfen, sondern dabei umfassender zu denken.
Was verstehen Verbraucher unter klimaneutralen Produkten?
Laut einer Befragung eines Markt- und Sozialforschungsinstituts verbinden 42 % der Verbraucherinnen und Verbraucher mit dem Begriff "klimaneutral", Produkte die "umweltfreundlich" sind. Genauer verbinden sie damit eine "umweltfreundliche Herstellung" oder Produkte mit "weniger CO2-Ausstoß".
Das EU-Parlament definiert ein klimaneutrales Produkt oder eine Dienstleistung dadurch, dass keine schädlichen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen.
Wie gestalten Herstellerinnen und Hersteller klimaneutrale Produkte?
Durch direkte und indirekte Maßnahmen und indem sie ihre Produktqualität an den Anforderungen von Umweltsiegeln ausrichten, können Unternehmen ihre CO2-Emissionen reduzieren und ihre Produkte klimaneutral gestalten.
Direkte Maßnahmen wirken sich unmittelbar auf die Umwelt aus und tragen dazu bei, dass ein Produkt klimaneutraler wird. Dazu gehören der Einsatz energieeffizienterer Geräte, die Installation von Solar- und Photovoltaikanlagen, die energetische Sanierung des Betriebsgebäudes, die Verwendung regionaler Rohstoffe und vieles mehr.
Indirekte Maßnahmen, z. B. der Kauf von CO2-Zertifikaten, gleichen verursachte Emissionen durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten aus. Obwohl Klimaschutzprojekte hilfreich sein können, können diese aber dazu führen, dass Unternehmen keine eigenen Anstrengungen mehr unternehmen, ihre Emissionen zu reduzieren und diese nur noch über Klimaschutzprojekte kompensieren.
Der Ausgleich dieser CO2-Emissionen über die Finanzierung von Klimaschutzprojekten erfolgt in der Regel über Unternehmen, die Klimaschutzzertifikate anbieten. Jede Firma, die mit einer Zertifikatsgeberin oder einem Zertifikatsgeber zusammenarbeitet, veröffentlicht auf ihrer Website eigene Maßnahmen zu einer verbesserten Umweltbilanz. Das kann von einer Änderung der Dienstreisen über Nutzung von Ökostrom bis hin zum Einsatz veränderter Rezepturen gehen. Es ist daher sinnvoll, die durchgeführten Firmenmaßnahmen beim Produkteinkauf genau zu beleuchten und die Zertifikate unter die Lupe zu nehmen. Lesen Sie nach, in welchen Bereichen Ihre Reinigungsmittelherstellerin bzw. Ihr Reinigungsmittelhersteller klimaverbessernde Anstrengungen unternimmt und ob das Ihren Erwartungen entspricht.
Unternehmen können zudem ihre Produktqualität an Anforderungen von Umweltsiegeln ausrichten. Mit den Siegeln "Blauer Engel" oder "EU-Ecolabel" gibt der Gesetzgebende Vorgaben an nachhaltige Produkte. Sowohl öffentliche als auch private Siegel hingegen haben jeweils eigene Schwerpunkte. Manche fokussieren sich auf die Produktqualität unter ökologischen Gesichtspunkten, andere heben eher faire Bezahlung oder sozial verträgliche Arbeitsbedingungen hervor. Auch hier gilt es, vorab zu prüfen, welches Siegel am besten zu Ihrer Firmenphilosophie passt. Einen Vergleich der verschiedenen Siegel finden Sie z. B. auf der Website Siegelklarheit.
Wie gestalte ich als hauswirtschaftliche Fachkraft meinen Reinigungsprozess nachhaltig?
Auswahl des Reinigungsverfahrens: Muss die Reinigung immer mit synthetisch-chemischen Reinigungsmitteln erfolgen?
Auswahl nachhaltiger Reinigungsutensilien, z. B. Mehrweg- vs. Einweg-Tücher
Entscheidungskriterien für nachhaltige Reinigungsmittel in den Blick nehmen:
Sind die Produkte frei von Duft- und Konservierungsstoffen?
Reduzieren die Produkte Verpackungsmaterial?
Gibt es Dosierhilfen für das Produkt?
Sind Inhaltsstoffe und Rezepturen der vermeintlich nachhaltigen Produkte tatsächlich besser? Oder zeigt sich im Vergleich mit herkömmlichen Produkten, dass die Inhaltsstoffe identisch sind?
Gibt es eine Möglichkeit auf Konzentrate mit hoher Ergiebigkeit umzusteigen?
Hinterfragen Sie beim Einkauf die angegebenen Siegel und Umweltaussagen kritisch:
Was versteht die Herstellerin bzw. der Hersteller unter den angegebenen Werbeaussagen (z. B. klimaneutral)?
Welche Kriterien erfüllt das Siegel?
Entsprechen die Kriterien den eigenen Erwartungen?
Bezieht sich die Herstellerin bzw. der Hersteller auf ein privates oder ein staatliches Siegel?
Welche Akteure sind für das Siegel verantwortlich?
Was plant der Gesetzgebende zu Produktaussagen zur Klimaneutralität?
Im Juli 2023 fällte das Landgericht Karlsruhe ein Urteil zur Verwendung bestimmter Begriffe. Es entschied, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bereits auf der Verpackung erfahren müssen, wo sie sich über die Klimaneutralität des Produktes informieren können. Herstellerinnen bzw. Hersteller müssen deutlich aufzeigen, welche Schritte im Produktionszyklus klimaneutral sind und ob einzelne Schritte von der Bilanzierung ausgenommen wurden. Ebenso müssen die Kriterien aufgezeigt werden, anhand derer die Prüfung für das Label der jeweiligen Zertifizierungspartnerin bzw. des jeweiligen Zertifizierungspartners erfolgte.
Das Gerichtsurteil stellt Kompensationszahlungen grundsätzlich nicht in Frage, aber es verlangt, dass die Zahlungen einen dauerhaften Ausgleich der CO2-Bilanz bewirken. Das kann nicht jedes Klimaprojekt garantieren.
Die Erwartung der Verbraucherinnen und Verbraucher, dass das Produkt komplett umweltneutral ist, muss erfüllt werden. Das bedeutet, dass Herstellerinnen und Hersteller alle 13 Wirkkategorien möglicher Umweltbelastungen beachten müssen. Aktuell werden nur fünf dieser Kategorien erfasst, nämlich CO2-Emissionen, Nährstoffeintrag (Eutrophierung), Versauerung, Sommersmog und Ozonabbau.
Zu den acht weiteren Wirkkategorien zählen: Humantoxizität, Unfälle, Lärm, Ökotoxizität, Flächenbelegung und Flächenumwandlung, Zerstreuung von Spezies und Organismen, abiotische und biotische Ressourcenzerstörung.
Planungen der EU: Neuer Gesetzentwurf zu "Green Claims"
Aktuell existieren etwa 230 verschiedene Umweltzeichen mit großen Unterschieden in Bezug auf ihre Aussagekraft. So ist es auf den ersten Blick häufig nicht ersichtlich, durch welche Maßnahmen ein Produkt klimaneutraler ist. Künftig sollen Verbraucherinnen und Verbraucher zuverlässige, vergleichbare und überprüfbare Informationen erhalten. Daher stimmte im Mai 2023 das EU-Parlament für die Einführung eines Gesetzentwurfs, Kriterien für klimabezogene Werbeaussagen ("Green Claims") festzulegen (Richtlinie zur Stärkung der Verbraucherinnen und Verbraucher für den ökologischen Wandel).
Verpackung zu 80 % aus recyceltem Kunststoff
CO2-neutraler Versand
ozeanfreundlicher Sonnenschutz
Der Entwurf befasst sich auch mit Umweltzeichen-Systemen, um die unkontrollierte Ausbreitung der verschiedenen Umweltsiegel einzudämmen.
Unternehmen müssen ihre umweltbezogenen Aussagen wissenschaftlich belegen können und unabhängig überprüfen lassen.
Werbeaussagen oder Siegel müssen eine konkrete Aussage treffen. Pauschale Bewertungen zu den Umweltaussagen eines Produkts (z. B. klimafreundliches Produkt) werden dann nicht mehr möglich sein.
Beim Vergleich mehrerer Produkte oder Organisationen müssen die Vergleiche auf gleichwertigen Informationen und Daten beruhen.
Neue, öffentliche Kennzeichnungssysteme werden nur dann erlaubt sein, wenn sie auf EU-Ebene entwickelt wurden.
Anbietende privater Siegel müssen nachweisen, dass ihre Umweltziele ehrgeiziger sind als die bestehender Siegel.
Fazit
Die Thematik der Klimaneutralität ist komplex und erfordert sowohl Fachkompetenz als auch persönliches Engagement, um sie differenziert zu betrachten. Der Begriff "klimaneutral" wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Daher ist es wichtig, kritisch zu hinterfragen und sich beim Kauf vermeintlich klimaneutraler Produkte gut zu informieren. Eine bewusste und nachhaltige Kaufentscheidung erfordert die sorgfältige Überprüfung, ob tatsächliche Umweltauswirkungen angemessen berücksichtigt wurden. Nur so kann der Beitrag zum Umweltschutz effektiv und authentisch unterstützt werden.
Quellen
Quellen liegen am Kompetenzzentrum Hauswirtschaft (KoHW) vor.