Verpflegung im Hausgemeinschaftskonzept

Essen ist mehr als reine Nahrungsaufnahme und Befriedigung der physiologischen Bedürfnisse. Essen erfüllt auch soziale und psychologische Zwecke. Auch im Hausgemeinschaftskonzept (HG) nehmen die Mahlzeiten im Bewohneralltag einen hohen Stellenwert ein. Erfahren Sie, wie Sie die Verpflegung im Hausgemeinschaftskonzept organisieren.

Aktualisiert am: 19.01.2024
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Seniorin und Pflegerin falten gemeinsam Servietten, Senior liest am Tisch Zeitung. Tim Kiertscher

Arbeiten Sie ein Verpflegungskonzept aus, um den Anforderungen gerecht zu werden. Es bildet die Grundlage für Verhandlungen des Verpflegungsentgeltes. Das Verpflegungskonzept beinhaltet: Leistungsverzeichnis, Standards, Kennzahlen, Methoden, Lebensmittel-Etat, technische Ausstattung der Küchen, eine Übersicht über die Kosten pro Vollbeköstigungstag sowie eine Leistungsabgrenzung (intern – extern – Produktion – Wohnbereich). Herausfordernde Aspekte der Verpflegung, die Sie bei der Ausarbeitung Ihres Verpflegungskonzeptes beachten sollten, lernen Sie jetzt kennen.

Wie sieht der Speiseplan aus?

  • In den meisten Fällen liegt ein rollierender Speiseplan über vier bis neun Wochen vor – mit Abwandlungen und Veränderungen je nach Saison.
  • Es erfolgt eine individuelle Anpassung an die Wünsche und Abneigungen der Bewohnerinnen und Bewohner innerhalb einer Wohngruppe.
  • Einige Häuser erstellen den Plan (mit dem nötigen Vorlauf) wochen- oder zweiwochenweise in jeder Wohngruppe individuell. Dies erfordert hohen organisatorischen Aufwand, bewirkt aber eine hohe Bewohner- und Angehörigenzufriedenheit.
  • Meist besteht der Plan nur aus einer Menülinie. Der MDK akzeptiert dies, weil man durch die Nähe der Küche individuell und kurzfristig auf Bewohnerwünsche eingehen kann.
  • Das Personal informiert Bewohnerinnen und Bewohner über das tagesaktuelle Gericht an einer gut sichtbaren Tafel oder Pinnwand.

Wer erstellt den Speiseplan?

  • Häufig die Hauswirtschaftsleitung
  • Teilweise die Hauswirtschafts- oder Präsenzkräfte in den Wohngruppen
  • Teilweise die hauswirtschaftlichen Fachkräfte unter Einbezug des Heimbeirates
  • Teilweise die hauswirtschaftlichen Fachkräfte mit allen Bewohnerinnen und Bewohnern der Wohngruppen

Wie können die Bewohner bei der Speisenplanung mitwirken?

  • Personal bespricht wöchentlich Speisenplanung mit Bewohnerinnen und Bewohnern.
  • Bewohnerinnen und Bewohner dürfen Essenswünsche äußern, z. B. durch Wunschkärtchen.
  • Bewohnerinnen und Bewohner dürfen sich am Geburtstag ein Gericht wünschen.

Wie geht das Personal mit spontanen Essenswünschen um?

  • Personal kocht Extra-Komponenten nach individuellen Wünschen oder ändert Komponenten ab.
  • Bewohnerinnen und Bewohner können in anderen Wohngruppen, in denen ihnen das Tagesgericht mehr zusagt, mitessen.
  • Bewohnerinnen und Bewohner können sich Essen aus anderen Wohngruppen in die eigene Wohngruppe bestellen.

Speisenzubereitung und Mahlzeiteneinnahme orientieren sich im HGK stark an der Alltagsnormalität. Ziel ist es, möglichst viel in den Wohnbereichsküchen zuzubereiten und dabei die Bewohnerinnen und Bewohner mit einzubeziehen.

Frühstück und Abendessen laufen in den meisten Einrichtungen ähnlich ab. Für beide Mahlzeiten sind in den Lagern auf den Wohnbereichen Lebensmittel vorrätig. Die Hauswirtschafts- oder Präsenzkräfte bereiten das Essen – teilweise mit den Bewohnern – vor. Die Bewohner bedienen sich dann selbst am Tisch (Brötchen streichen, Kaffee einschenken). Dabei helfen fitte Bewohnerinnen und Bewohner auch hilfebedürftigen Tischnachbarn.

Ein Teller Gemüsesuppe

Das Mittagessen unterscheidet sich in den einzelnen Einrichtungen. Je nach Personaleinsatzplanung stehen entweder hauswirtschaftliche Fachkräfte, Präsenz- oder Betreuungskräfte mit den Bewohnern in der Küche. Die Idealbesetzung ist eine hauswirtschaftliche Fachkraft. Diese kennt sich mit der Mahlzeitenzubereitung, hygienischen Regelungen sowie der Reinigung der Wohnbereichsküche aus. Zudem ist sie aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage, parallel zu versorgenden auch betreuende Aufgaben zu übernehmen. Hilfreich bei der Zubereitung des Mittagessens sind Rezeptordner oder Kochbücher mit entsprechend an die Bewohner angepassten Mengenangaben. Die Mahlzeiteneinnahme übernehmen in der Regel die Pflegekräfte.

Zubereitung mit den Bewohnern

Warum macht es Sinn, die Mahlzeiten mit den und inmitten der Bewohner zuzubereiten?

  • Die Bewohnerinnen und Bewohner erleben möglichst viel Alltagsnormalität.
  • Die Bewohnerinnen und Bewohner haben eine Aufgabe und werden gebraucht. Sie haben ein Erfolgserlebnis.
  • Die Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner werden stimuliert: Durch das aktive Mithelfen, aber auch durch das reine Beobachten und Wahrnehmen der Gerüche.
  • Die Bewohnerinnen und Bewohner kommen mit den Mitarbeiterinnen ins Gespräch und bringen Erfahrung und Wissen ein (kognitive Aktivierung).
  • Manuelle Tätigkeiten (wie Schälen, Schneiden, Rühren usw.) mobilisieren die Bewohnerinnen und Bewohner.
  • Die Gemeinschaft und das gemeinschaftliche Arbeiten werden gefördert.
  • Die Speisen bekommen eine individuelle Note (durch das Abschmecken oder unterschiedlich geschnittenes Gemüse).

Wie binden die Einrichtungen ihre Bewohner ein?

  • Bewohnerinnen und Bewohner schälen und schneiden Gemüse, Kartoffeln oder ähnliches.
  • Bewohnerinnen und Bewohner rühren in den Töpfen.
  • Bewohnerinnen und Bewohner schmecken ab.
  • Bewohnerinnen und Bewohner helfen beim Kuchenbacken.
  • Bewohnerinnen und Bewohner helfen bei der Zubereitung kleiner Zwischenmahlzeiten wie Obstsalat.
  • Bewohnerinnen und Bewohner erzählen von ihren Lieblingsrezept und von besonderen Zutaten.
  • Bewohnerinnen und Bewohner sitzen einfach mit am Tisch in der Wohnbereichsküche.

Was kochen die Einrichtungen mit den Bewohnern?

  • Alle Komponenten eines Mittagessens für eine Wohngruppe (i. d. R. zwölf Seniorenportionen) mit und/oder vor den jeweiligen Bewohnern
  • Sobald wohngruppenübergreifend gekocht wird (z. B. eine Wohngruppe kocht für alle die Hauptspeise und eine andere die Nachspeise), stoßen die haushaltsähnlichen Wohnbereichsküchen an ihre Kapazitätsgrenzen. Zudem gelten dann andere lebensmittelrechtliche Anforderungen an die Speisenzubereitung.

Welche Herausforderungen und Lösungsansätze schildern die Einrichtungen?

  • Aktivieren der Bewohnerinnen und Bewohner: Schulen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Aktivierungstechniken (Wie spreche ich mit alten Menschen? Wie motiviere ich sie zum Mitmachen? etc.)
  • Hygiene beim Kochen: Therapeutisches Kochen erlaubt niedrigere Hygienestandards (genauere Infos siehe Thema "Hygiene")
  • Steigendes Alter und höherer Pflegegrad der Bewohnerinnen und Bewohner: passive Teilhabe

Nahaufnahme einer behandschuhten Hand, die Karotten schält.

Bewohner im HGK sind im Blick auf ein Infektionsrisiko eine hochsensible Gruppe. Daher muss man auf die Lebensmittel- und Zubereitungshygiene einen besonderen Fokus legen. In der Praxis finden sich im HGK Konzepte zwischen "therapeutischem Kochen" (Wohngruppe bereitet gemeinsam Lebensmittel zu und verspeist diese anschließend in derselben Gruppenzusammensetzung) und strikter Umsetzung eines betrieblichen Eigenkontrollsystems (HACCP-Konzept). Das HGK profitiert vom Einsatz einer ausgebildeten Hauswirtschafterin, die ein fundiertes Hygiene-Wissen besitzt. Daher ist es sinnvoll im Rahmen des Qualitätsmanagements ein betriebliches Eigenkontrollsystem zu erarbeiten. Dieses sollten Sie speziell auf die Abläufe und Gegebenheiten in Wohngemeinschaften abstimmen.

Erfassen Sie die kritischen Punkte und legen Sie diesbezüglich Maßnahmen fest. Lassen Sie dabei aber den Familiengedanken nicht aus den Augen und ermöglichen Sie bestimmte Tätigkeiten in Alltagsnormalität. Sprechen Sie das Hygienekonzept mit den örtlichen Zuständigen der Lebensmittelüberwachung ab. Weisen Sie diese aber auch auf die Leitlinie "Wenn in sozialen Einrichtungen gekocht wird" (siehe Einstiegsphase – Informieren) hin. Achten Sie besonders auf die persönliche Hygiene, die Lebensmittelhygiene sowie das hygienische Arbeiten am Arbeitsplatz. Die Hygieneregeln gelten für alle, die mit Lebensmitteln arbeiten. Die Kontrolle der Einhaltung der Regelungen obliegt in den meisten Fällen der Hauswirtschaftsleitung. Diese wiederum schult ihre Mitarbeiter zu einem für alle bindenden Hygieneverständnis.

Worauf Mitarbeiter in den Einrichtungen beim Kochen besonders achten:

  • Alle Mitwirkenden waschen sich die Hände und desinfizieren sie ggf.
  • Teilweise stellen sie den Bewohnerinnen und Bewohnern Kochschürzen zur Verfügung.
  • Kranke Bewohnerinnen oder Bewohner mit Anzeichen einer Erkrankung dürfen nicht mitwirken.
  • Teilweise bearbeiten Bewohnerinnen und Bewohner nur Zutaten, die anschließend erhitzt werden (beim therapeutischen Kochen ist das nicht zwingend erforderlich).

Kochtopf auf Herdplatte

Die Wahl der richtigen Küchenausstattung ist in vielen Einrichtungen eine Herausforderung. Oft fällt erst während der Nutzung auf, was man hätte besser machen können. Die Wohnbereichsküche stellt eine Zwischenform zwischen Haushalts- und Großküche dar. Je stärker die Bewohner beim Kochen mit einbezogen und keine hauswirtschaftlichen Fachkräfte eingesetzt werden, desto wichtiger ist der Einbau und Kauf von haushaltsüblichen Geräten und Ausstattung. Großküchengeräte sind für die Bewohner fremd und ungewohnt. Bei Geräten, die die Bewohner nicht oder nur selten nutzen, eignen sich Zwischengrößen oder Industriegeräte.

Tipps zur Küchenausstattung

Bauliche Anforderungen

  • Geschirrspülbecken brauchen eine gewisse Größe, um Töpfe gut darin zu spülen; die Armatur muss höher angebracht sein, um den Topf mit Wasser zu befüllen. Eine Alternative wäre ein herausziehbarer Wasserhahn.
  • Handwaschbecken müssen für die Bewohnerinnen und Bewohner gut zugänglich sein.
  • Passen Sie die Ausstattung und Geräte auch an demenziell erkrankte Bewohner an (z .B. "Kindersicherung" für Herd, verschließbare Kühlschränke oder Schränke, unterfahrbare Arbeitsplatten).
  • Beim Kochen fallen Abfälle an. Planen Sie Müllsammelstellen in der Nähe der Küche ein sowie eine Absicherung vor Bewohnern mit Demenz.
  • Eine (nur für die Mitarbeiter einsehbare) Informationsaustausch-Stelle über Bewohnervorlieben, Krankheitsfälle etc. hilft, die internen Schnitt- und Übergabestellen leichter zu organisieren. Zum Beispiel eine Schublade mit Infobuch oder eine Pinnwand im Vorratsraum.

Elektronische Geräte

  • Herdplatten brauchen Kochfelder für größere Töpfe oder im Idealfall zuschaltbare Kochfelder.
  • Die Geschirrspülmaschine läuft am Tag mehrmals und benötigt daher Spülgänge, die zeitlich kurz, aber doch heiß genug spülen. Ein Interviewpartner betonte, dass das Personal es als sehr wichtig empfinde, die Maschine so zu platzieren, dass beim Bestücken und Leeren nicht immer der Rücken der Person zu den Bewohnern gerichtet ist.
  • Einige Einrichtungen ergänzten im Nachhinein einen kleinen Dampfgarer bzw. Konvektomaten. Vor allem dann, wenn Gruppen für mehrere Wohngruppen und somit in größeren Mengen kochten.
  • Die Geräte müssen langlebig und robust sein. Sie sind im Vergleich zum Privathaushalt überdurchschnittlich häufig im Einsatz.
  • Leichte Handhabung und Reinigung der Geräte sind wichtig.
  • Eine gewerbliche Spülmaschine ist sinnvoll.

Weitere Küchenutensilien:

  • Das Essgeschirr für die Bewohnerinnen und Bewohner lagert in den Wohngruppenküchen. Es ist oft schwerer als haushaltsübliches Geschirr. Daher benötigen die Schränke robuste Einlegeböden.
  • Richtige Größe der Töpfe und Arbeitsgeräte. Sie müssen für die Zubereitung der Anzahl an Essen ausgelegt sein. Zwischengrößen (zwischen Haushalts- und Großküchengröße) eignen sich am besten. Hierzu gibt es ein Projekt der Hochschule Triesdorf.
  • Eine ausreichende Anzahl an Schneidebrettern und Hilfsvorrichtungen zur Stabilisierung erleichtern die Mithilfe der Bewohnerinnen und Bewohner.

Weitere Informationen zur Küchenausstattung und speziell zu Geräten in Hausgemeinschaften:

Regal mit verschiedenen trockenen Vorräten

Bereits bei der Planung ist die Überlegung "Was und wie viel will ich wo lagern?" essenziell. Gehen Sie genau durch, welche Waren zum Einsatz kommen, in welchen Mengen diese vorhanden sein müssen und wo Sie sie am sinnvollsten lagern. Beachten Sie dabei auch, dass Standardvorräte, wie z. B. Pudding oder Zwieback wichtig sind, um spontan auf Bewohnerwünsche und -bedürfnisse eingehen zu können. Außerdem sollten Sie von Beginn an festlegen, in welchen Rhythmen Sie beliefert werden möchten bzw. Ihr Händler liefern kann. Passen Sie dementsprechend die Größe Ihrer Lager und Vorratsräume an.

Folgende Punkte sind wichtig:
  • Platz für täglich benötigte Vorräte in Wohnbereichen (Speisekammer, Kühlschränke).
  • Zusätzlich ein zentrales Warenlager (mit Kühl- und Tiefkühlzellen) für größere Mengen des wöchentlichen bzw. sogar monatlichen Bedarfs. Daraus werden die Wohngruppen nach Bedarf beliefert.
  • Logistik des Warentransports vom Zentrallager in die Wohnbereiche. Mögliche Formen:
    • Hauswirtschaftsleitung übernimmt täglich Kommissionierung anhand von Bestellzetteln der Wohngruppen.
    • Wohngruppenleitung übernimmt die Abholung der Zutaten aus einem Zentrallager. 
    • Präsenzkräfte holen mit den fitten Bewohnern täglich die benötigten Zutaten im Zentrallager ab.
  • Die Lebensmittellagerung in den Wohngruppen stellt eine mögliche Quelle für Vorratsschädlinge dar. Daher müssen in den Wohngruppen gelagerte Lebensmittel oder Reste regelmäßig auf das Verfallsdatum überprüft werden (im QM-Handbuch verstetigen). Und ebenfalls in die Speisenzubereitung einfließen.

Wichtige Fragen, die Sie sich während der Planung stellen und beantworten sollten:
  • Wer ist für den Einkauf verantwortlich?
  • Wie werden die Bestellungen der einzelnen Wohngruppen intern weitergegeben und koordiniert?
  • Welche Lieferanten stehen zur Verfügung? Wer kann den Vorstellungen entsprechend (Mengen und Gebindegrößen) liefern?
  • Gibt es trägerinterne Einkaufsgemeinschaften?
  • Sind Großhändler oder regionale Kleinanbieter sinnvoller? Sind Groß- oder Kleingebinde sinnvoller? (Die Interviewpartner arbeiten auch hier mit unterschiedlichen Modellen. Es zeigt sich, dass die gewählte Form stark von den Bedingungen vor Ort abhängig ist.)

Für den Einkauf bei regionalen Zulieferern spricht, dass sie in der Regel bereit sind, auf Kommissionierungswünsche und kleine Gebinde einzugehen. Dies erspart den Aufwand in den Wohngruppen. Zudem können sie meist spontane Bestellwünsche berücksichtigen. Allerdings sind anfangs koordinierende Gespräche mit dem Lieferanten notwendig. Für den Einkauf bei Großhändlern sprechen die günstigeren Preise. In der Regel liefern diese in Großgebinden, jedoch bieten immer mehr Händler auch kleinere Gebinde an. Es gibt feste Lieferzeiten, auf fehlende Mengen oder spontane Wünsche können sie nicht eingehen.