Bilanz zur Umsetzung für mehr Artenvielfalt in Bayern

Mehr als 1,7 Millionen Menschen haben sich am Volksbegehren "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen!" beteiligt. Dem Votum folgend hat der Bayerische Landtag am 17. Juli 2019 mehrheitlich dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes zugestimmt. Zugleich wurden flankierende Änderungen im Rahmen des sogenannten Versöhnungsgesetzes sowie ein ergänzender Maßnahmenkatalog angenommen. Der Landtag folgte dem Vorschlag der Staatsregierung, das Volksbegehren ohne Änderungen anzunehmen und durch ein Begleitgesetz zu ergänzen. Mit den beschlossenen Änderungen sollen Härten abgefedert und weitere Verbesserungen für den Natur- und Artenschutz mit freiwilligen Maßnahmen erzielt werden.

Aktualisiert am: 26.04.2024
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Blühfläche mit Landschaft im Hintergrund H. Volz/LfL

Runder Tisch Arten- und Naturschutz

In dem von Landtagspräsident a. D. Alois Glück geleiteten Runden Tisch – u. a. auch zur Vorbereitung der Begleitmaßnahmen – wurde mehrfach betont, dass Artenschutz und Verbesserung der Lebensräume eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft ist. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann einen kleinen Beitrag leisten, auch wenn es nur auf dem eigenen Balkon ist. Zudem ist die bayerische Landwirtschaft auf Käufer regional und ökologisch erzeugter Produkte angewiesen. Der Staat sieht sich auch hier in der Vorreiterrolle, beispielsweise über eine Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen mehr heimische Öko-Produkte zu verwenden. Zur Begleitung der Umsetzung hat der Runde Tisch unter Mitwirkung von Praktikern und Fachleuten geeignete Lösungen für die Landwirte gefunden, um unzumutbare Härten zu vermeiden. Gleichzeitig werden die neuen gesetzlichen Regelungen, die am 1. August 2019 in Kraft getreten sind, durch umfangreiche Förderprogramme und mehr Beratung begleitet.

Erfolgreiche Bilanz des Artenvielfalt-Volksbegehrens

Die Umsetzung des Volksbegehrens "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen" und der damit verbundenen Gesetze wurde entschlossen angepackt. "Das Volksbegehren und das am Runden Tisch entwickelte Begleitgesetz haben Bayern an die Spitze der Länder gebracht. Was dort als Konsens erreicht wurde, setzen unsere Land- und Forstwirte mit viel Engagement um und bringen so den Artenschutz messbar voran", so konnte Ministerin Michaela Kaniber bereits 2022 eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Nach drei Jahren konnte bereits ein Großteil der Projekte so weit wie möglich abgeschlossen werden. Begonnen, aber wegen des Zieljahres in der Zukunft noch nicht abgeschlossen, wurden die Maßnahmen zum Einsatz von regionalen und ökologischen Lebensmitteln in Kantinen (Zieljahr 2025), zur Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes (Zieljahr 2028) und zum Ausbau des Ökolandbaus (Zieljahr 2030).

Umsetzung des Volksbegehrens im Bereich der Land- und Forstwirtschaft

Ziel 30 Prozent Ökolandbau bis 2030

Das Ziel ist die Ausweitung des Ökolandbaus ohne Marktverwerfungen, die unsere bestehenden Öko-Betriebe gefährden würden. Im Zuge des Landesprogramms "BioRegio 2030" werden weiterentwickelte Maßnahmen zur Unterstützung des Ökolandbaus in den fünf Bereichen Beratung, Bildung, Förderung, Forschung und Wissenstransfer sowie Vermarktung auf den Weg gebracht. Dabei ist Folgendes bereits umgesetzt bzw. befindet sich in der Umsetzung:

  • Mittlerweile bestehen 35 staatlich anerkannte Öko-Modellregionen. Diese umfassen ca. 43 Prozent der Landesfläche Bayerns.
  • Die staatlichen Kantinen sollen vorbildlich vorangehen und bis 2025 mindestens 50 Prozent der Produkte aus regionaler Herkunft (bio oder konventionell) beziehen. Die acht Sachgebiete Gemeinschaftsverpflegung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) haben zahlreiche Beratungsangebote, u.a. zur Wirtschaftlichkeit von Bio und BioRegio. Sowohl die ÄELF als auch die Regierungen haben Maßnahmen zur Vernetzung aller Akteure entlang der Wertschöpfungsketten initiiert und durchgeführt. Ein besonderes Augenmerk lag bei der Unterstützung der Träger von staatlichen Kantinen bei der Ausschreibung von Verpflegungsleistungen.
  • Auch in den staatlichen Gütern wird die Vorbildfunktion gelebt. Neben dem Versuchsgut Neuhof (150 ha) sind auch die Flächen des Staatsguts Schwaiganger (420 ha) im Mai 2020 auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt worden. Damit beträgt der Ökoanteil bei den Bayerischen Staatsgütern (BaySG) bereits seit 2021 30 Prozent.
  • Öko-Betrieben steht die Förderung von Lägern für Körnerfrüchte und elektronisch gesteuerten Hackgeräten offen.
  • Unsere Ämter berücksichtigen die Belange des ökologischen Landbaus insbesondere durch Angebot einer Orientierungsberatung für umstellungsinteressierte Betriebe.
  • Neben dem bewährten Bayerischen Bio-Siegel liegt bei dem neuen Programm BioRegio2030 der Schwerpunkt auf der Stärkung der Vermarktung. Dazu wurde der Pakt für den ökologischen Landbau erweitert und das Öko-Board Bayern als neue Vernetzungsplattform etabliert.
Entwicklung des ökologischen Landbaus in Bayern gemäß Art. 3a Satz 2 des Bayerischen Naturschutzgesetzes (Statusbericht zu den ökologisch genutzten Landwirtschaftsflächen im Sinne des Art. 1a BayNatschG):
Jahr
Ökologisch genutzte Landwirtschaftsfläche (LF) in Hektar
Anteil Ökolandbau
Ökologisch genutzte Landwirtschaftsfläche (LF) in Hektar
Anteil Ökolandbau
Statusberichte an den Landtag
Bayern insgesamt*
Bayern insgesamt*
Staatliche Flächen**
Staatliche Flächen**
2023
415.528 
13,4 %
6.063 
22,6 %
Statusbericht 2023 (PDF)
2022
413.869 
13,3 %
5.006 
18,5 %
Statusbericht 2022 (PDF)
2021
398.026 
12,8 %
4.886 
18,1 %
Statusbericht 2021 (PDF)
2020
377.013 
12,1 %
3.219 
11,8 %
Statusbericht 2020 (PDF)

* Stand: Für die Jahre 2020-2022 am 30.06. des jeweiligen Jahres, ab 2023 am 31.12. des Vorjahres ** Stand: 15.05. des jeweiligen Jahres

Baumstamm im Wald mit halb verrotten daneben liegenden Baumstamm Stephan Tierfelder
Grünes Netzwerk der Naturwälder im Staatswald

Über 83 000 Hektar Naturwald hat Bayern rechtsverbindlich und dauerhaft im Staatswald ausgewiesen. Damit wurde das für 2023 vorgesehene Ziel bereits 2022 erreicht, 10 Prozent der staatlichen Waldflächen als Naturwald einer natürlichen Entwicklung zu überlassen und so einen Beitrag zum Erhalt und zur Verbesserung der Artenvielfalt zu leisten.

Förderung im Wald deutlich verbessert

Die waldbauliche Förderrichtlinie WALDFÖPR 2020 mit attraktiven Fördersätzen (z. B. Förderung für Wiederaufforstung, insektizidfreie Borkenkäferbekämpfung, Naturverjüngung, Jungbestandspflege etc.) und das überarbeitete Vertragsnaturschutzprogramm Wald (VNP Wald) waren bereits vor dem Volksbegehren, und sind es weiter, erfolgreich von den Waldeigentümern nachgefragt.

Schaffung von Rückzugs- und Vernetzungsflächen im Offenland durch Wildlebensräume

Die Staatsregierung kommt dem Wunsch weiterer Teile der Bevölkerung nach mehr Natur­ und Artenschutz entgegen und unterstützt gleichzeitig die Landwirte bei der Umsetzung. So wird eine Balance zwischen Biodiversität und der Produktion hochwertiger Agrarrohstoffe geschaffen.

  • Neben den gesetzlichen Maßnahmen wurde auch die Förderung für ein sichtbares und blühendes Angebot mit Blühflächen und Altgrasstreifen ausgeweitet. Zur Förderung der Biodiversität ist in der GAP eine Tierprämie zur Weidehaltung von Schafen und Ziegen abrufbar.
  • Mit der Ausweitung des KULAP wurden auf dem Weg der Freiwilligkeit zusätzliche Impulse für Rückzugs- und Vernetzungsflächen für extensive Grünlandnutzung, für die späte Mahd, für Blühstreifen grüne Bänder, für die Anlage von Struktur- und Landschaftselementen (Oasen) sowie den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und für den Einsatz biologischer Verfahren der Schädlingsbekämpfung geschaffen.
  • Die zwischenzeitlich an allen Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten etablierte Wildlebensraumberatung unterstützt die Landwirte vor Ort dabei, Lebensräume für typische wildlebende Tier- und Pflanzenarten in der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft zu verbessern. Die Wildlebensraumberatung entwickelt gemeinsam mit den Landwirten, Gartenbaubetrieben und Winzern betriebsindividuelle Empfehlungen zur Förderung der Biodiversität in der offenen Kulturlandschaft. Sie bietet auch Unterstützung in der korrekten und förderungskonformen Maßnahmenumsetzung an.
  • Auch die Förderung von Erhalt und Neuanlage von Streuobstbeständen wurde verbessert und leistet damit einen wertvollen Beitrag für den Arten- und Strukturreichtum in Bayern.
  • In der Flurneuordnung können Flächen zum Schutz der biologischen Vielfalt dort zur Verfügung gestellt werden, wo sie benötigt werden. So konnten bereits zahlreiche flächige Biotope und ein reiches Angebot an Vernetzungselementen realisiert werden.
  • Mit dem geschaffenen Förderinstrument FlurNatur unterstützen die Ämter für Ländliche Entwicklung insbesondere Privatpersonen und Kommunen, die sich für mehr Artenvielfalt einsetzen. Hier im Fokus: Struktur- und Landschaftselemente wie Hecken, Feldgehölze, Trocken- und Feuchtbiotope oder begrünte Abflussmulden.
  • Mit der Unterstützung durch freiwillige Fördermaßnahmen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes (VNP) und des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms (KULAP) wird das Ziel, zehn Prozent aller bayerischen Grünlandflächen erst ab dem 15. Juni zu mähen, erreicht.
  • Mit dem Verbot, Grünlandflächen ab einem Hektar nicht mehr von außen nach innen zu mähen, werden Wildtiere geschont. Die Landesanstalt für Landwirtschaft hat hierzu Hinweise für die Praxis veröffentlicht.
  • Das Verbot des Walzens von Wiesen ab dem 15. März schützt Wiesenbrüter. Wo die Witterung das Befahren der Böden vorher nicht zulässt und solange Wiesenbrüter nicht gefährdet werden, kann dort der Termin verschoben werden.
  • Schließlich verzichten die bayerischen Staatsgüter bereits seit 2018 auf den Einsatz von Glyphosat auf den staatlich bewirtschafteten Flächen.
  • Im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2018 sank der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln bereits um 19 Prozent in den bedeutenden Ackerkulturen. 
Gewässerrandstreifen

Entlang natürlicher oder naturnaher Bereiche fließender oder stehender Gewässer sind Randstreifen (ab Uferlinie 5 m) auszuweisen, die nicht mehr garten- oder ackerbaulich genutzt werden dürfen.

  • Forschungsergebnisse zeigen, dass mit Gewässerrandstreifen in ackerbaulich geprägten Gebieten nicht nur der Erosions- und Gewässerschutz bei Starkregen verbessert sondern nachweißlich auch die Biomasse und die Artenvielfalt bei Insekten erhöht wird. So konnten im Durchschnitt eine 40 Prozent höhere Insektenbiomasse und eine um 16 Prozent höhere Artenvielfalt festgestellt werden. Die Artenvielfalt der Schmetterlinge steigt sogar um 45 Prozent.
  • Auch der angebotene finanzielle Ausgleich von 500 Euro pro Hektar wird Jahr für Jahr vermehrt angenommen.
Start des bayerischen Streuobstpakts im Oktober 2021

Mit insgesamt rund 600 Millionen Euro unterstützt die Bayerische Staatsregierung bis 2035 die Anlage, Pflege und den Erhalt der bayerischen Streuobstbestände. Dieser Streuobstpakt kommt damit einem Generationenvertrag gleich. Er wurde am 18. Oktober 2021 von der Bayerischen Staatsregierung, den relevanten Verbänden und Vereinen unterzeichnet. Staatsregierung und Zivilgesellschaft verpflichten sich wechselseitig, Streuobstbestände in Bayern anzulegen, zu pflegen und zu erhalten. Über eine Steuergruppe, bestehend aus Vertretern aller Unterzeichner des Streuobstpakts, werden die Umsetzungsmaßnahmen laufend evaluiert.

Über ein umfangreiches Maßnahmenpaket unterstützt das StMELF den bayerischen Streuobstanbau:
  • Das Förderprogramm "Streuobst für alle!" unterstützt die Neupflanzung von bis zu einer Million Streuobstbäumen.
  • Erhöhung des Erschwernisausgleichs im KULAP und Einführung einer investiven Förderung der Baumpflege.
  • Stärkung des Verbraucherbewusstseins für Streuobstprodukte durch gezielte Informationskampagnen über "Streuobst blüht" und "Aktion Streuobst".
  • Umfangreiche Forschungstätigkeiten zum Streuobstanbau, Sortenerhaltung, Verarbeitung von Streuobst sowie zur Ausbildung von Baumwarten.
Unterstützung von Junglandwirten

Die Unterstützung der nächsten Generation von Landwirten ist dem StMELF ein besonderes Anliegen, um den Fortbestand der bayerischen Betriebe zu unterstützen.

  • Daher hat Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber im Mai 2019 eine Junglandwirte-Kommission einberufen, die am 13. Juli 2020 ihren Abschlussbericht vorgestellt hat. Das 37-köpfige Gremium sollte aus Sicht der nächsten Generation im Sinne einer "Mitmach-Agrarpolitik" Handlungsempfehlungen und eine Vision für die bayerische Landwirtschaft im Jahr 2040 entwickeln. Viele dieser Empfehlungen wurden bereits umgesetzt.
  • Parallel wurde 2021 ein Schulversuch an den Landwirtschaftsschulen in Bayern gestartet. Wesentliche Teile sind: Mehr Unterrichtsstunden für Produktionstechnik und Persönlichkeitsbildung in der Landwirtschaftsschule und eine stärkere Verknüpfung von Landwirtschaftsschule und darauf aufbauende Höhere Landbauschule ("Bildung braucht Zeit!"). 
  • Bayern setzte sich im Zuge der GAP ab 2023 für eine Verbesserung der Förderung der Junglandwirte ein, sodass im Ergebnis eine Verdreifachung der bisherigen Prämie erreicht werden konnte.
  • Für Landwirte, die neue Betriebszweige planen, um ihren Bauernhof damit zukunftsfähig aufzustellen, wurde das Gründerzentrum "NEU.LAND." in Ruhstorf an der Rott eingerichtet. Das an der Landesanstalt für Landwirtschaft angesiedelte "NEU.LAND." ging 2023 an den Start. Es unterstützt landwirtschaftliche Betriebe auf der Suche nach innovativen Betriebszweigen und beim Einstieg in diese. Das Gründerzentrum setzt dabei auf ein umfangreiches Informationsangebot und Coaching-Angebote. Daneben fördert es gezielt den Austausch und die Vernetzung zwischen landwirtschaftlicher Praxis, Beratung, Wissenschaft und weiteren Stakeholdern. Es wird ein Netzwerk Diversifizierung aufgebaut.